Eigentlich wollte ich heute Morgen einen Artikel zu einem anderen Thema schreiben.
Aber mir ist gestern Abend mal wieder etwas sehr bewusst geworden.
Eine frühere Patientin, Spastikerin, körperbehindert (aber nicht geistig) und Rollstuhlfahrerin, bat mich vor ein paar Wochen, sie zu einem Volksmusikkonzert in unsere Stadthalle zu begleiten.
Meine Begeisterung dazu können Sie sich mit Sicherheit vorstellen und meine Vorfreude hielt sich sehr bedeckt.
Ich holte sie mit meinem Auto ab und schon der komplette Weg zur Halle zeigte sich als schwierig und anstrengend. Das Einzige, das sie selbständig kann, ist atmen, essen, sofern man ihr das Essen in den Mund oder auf dem Teller anreicht und mit Hilfe kleine Handgriffe erledigen.
Das Konzert war – nun ja, ich versuche in allem immer das Beste und meinen Spass zu sehen und die Hauptsache war, wir hatten Lebensfreude und lachten viel.
Auch die Rückfahrt zu ihrer Wohngruppe war anstrengend und ich war hundemüde, als ich schließlich bei uns zuhause war, wo Mann und Kinder kerngesund an Leib und Seele in ihren Betten lagen und schliefen.
Ich aber fand keine Ruhe und ging erst mitten in der Nacht schlafen.
Demütig und dankbar saß ich im Wohnzimmer und wußte nicht, wie ich das Glück und den Reichtum fassen sollte, jeden Schritt alleine gehen zu dürfen. Jeden Handgriff ohne Unterstützung tun zu können und meine freie Entscheidung treffen zu dürfen, zu tun und zu lassen, was mir gerade einfällt. Baden, essen, joggen, shoppen, in facebook schreiben, anziehen ohne fremde Hilfe.
Ziemlich kleinlaut bin ich heute. Meine Demut hat mich noch fest im Griff und in diesem Bewusstsein werde ich heute und die nächsten Tage weitergehen.
Ich möchte hiermit nicht beurteilen, ob dieses andere Leben weniger schön und erfüllt ist. Sie kennt es von Geburt an nicht anders. Aber meine Eigenständigkeit und Mobilität haben gestern einen neuen Stellenwert erhalten und für dieses Erleben ertrage ich sogar Volksmusik.
Bleiben Sie gesund und werden Sie sich ihrer Geschenke des Lebens bewusst!
Ihre Simone Sommer-Philipp
PS: Ich habe sogar mitgesungen 😉